Grüne wollen Leitbildprozess forcieren und Wilhelmshöhe-Nord bekämpfen
Ausrichtung nach einem Drittel der Wahlperiode „angeschärft“
Aus der Siegener Zeitung vom 18. Mai 2016:
pebe ■ Kursbestimmung: Wie stellen sich die im Rat der Stadt Freudenberg vertretenen Parteien die Politik in der kommenden Zeit vor? Nachdem sich schon CDU und SPD den Fragen der SZ gestellt hatten, ging es diesmal um die Zielsetzungen von Bündnis 90/Die Grünen. Gesprächspartner der SZ waren der Vorsitzende des Stadtverbands, Christian Hombach, seine Stellvertreterin Christiane Berlin und Ratsmitglied Eberhard Schray.
Auch der Stadtverband der Grünen hat einen Umbruch hinter sich: Werner Steuber gab sein Ratsmandat zu Beginn des Jahres auf, für ihn rückte Frank Schuster (Lindenberg) nach. Christian Hombach übernahm den Vorsitz im Stadtverband. Der hat nur wenige Mitglieder – „die Kernarbeit konzentriert sich bei uns“, konstatierte Christiane Berlin. Der Vorteil: schnellere Entscheidungsprozesse, der Nachteil: „Man kann sich nicht in Vieles tief einarbeiten.“
Genau das aber muss die Fraktion, wenn sie sich im Rat und in der Öffentlichkeit Gehör verschaffen will. Zur personellen Anforderung kommt dabei eine inhaltliche Aufgabe: „Alle großen Parteien“, sagte Christiane Berlin mit einem Anflug von Sarkasmus, „haben sich mittlerweile grüne Themen auf die Fahnen geschrieben.“ Zudem „okkupierten“ sie Impulse, die von den Grünen kämen. So auch in Freudenberg: beim Thema Gesamtschule, „da ist nur durch uns der Stein ins Rollen gekommen“. „Die Anderen“ übersähen dies und verbuchten die Gesamtschule heute für sich.
Diese Themenübernahme, konstatierten die drei Grünen auf Nachfrage, könne flüchtig zum Eindruck führen, dass die Freudenberger Grünen zu „Ultra-Realos“ geworden seien – beispielsweise durch ihre Kooperation mit CDU und FDP bei der Bürgermeisterwahl. Seinerzeit habe man sich für die Unterstützung der CDU-Kandidatin entschieden, weil es um die Fachlichkeit gegangen sei. Andere thematische Ähnlichkeiten, z. B. mit der CDU, würden allerdings anders begründet. Erklärendes Stichwort hier: der von den Grünen angestoßene Leitbildprozess.
Der ist mittlerweile von Rat und Verwaltung als Vorschlag aufgegriffen worden und läuft derzeit im politischen Hintergrund – was bei den Grünen für Unmut sorgt. „Wir wollen die Bürger früh einbinden, sie sollen als die Bürger der Stadt mitbestimmen, in welche Richtung sich Freudenberg entwickelt, und dafür müssen sie mitbekommen, worum es geht“, betonten die drei. Transparenz im demokratischen Prozess gehöre nun mal zu dessen „Basics“. Christian Hombach bedauerte dabei die für ihn nicht nachvollziehbare Abschaffung der mehrheitlich beschlossenen Nachhaltigkeitssatzung durch den Rat, die im Leitbildvorschlag der Grünen eine Rolle spielt: „Ein ausgeglichener Haushalt ist ein wesentliches Kriterium für kommunales Handeln“, sagte er, „schnelle Schuldenfreiheit führt zur Handlungsfähigkeit.“ Das lasse sich rational nachvollziehbar und einfach erklären.
Als weiteres „urgrünes“ Thema für die kommenden Jahre, das sie von den anderen Fraktionen abhebe, nannten die Bündnisgrünen die Planungen zum Gewerbegebiet Wilhelmshöhe-Nord. Das lehnt die Öko-Partei kompromisslos ab und kritisiert das bisherige Prozedere stark. „Die Verwaltung legt ihre Karten nicht wirklich auf den Tisch“, bemängelte Eberhard Schray. So gebe es eine knappe Liste möglicher Interessenten. Wenn man aber deren angenommenen Bedarf zusammenrechne, komme man lediglich auf einen Bruchteil der geplanten Gewerbefläche, sagte Schray. Tatsächlich habe die Verwaltung ja auch schon die Bereitschaft zur Verkleinerung signalisiert. Zur grünen Oppositionsarbeit werde daher auch gehören, das Verwaltungshandeln z. B. bei den Gewerbegebietsplanungen begründet zu bezweifeln und zu kritisieren.
„Und“, fuhr Christian Hombach fort, „das Argument der Arbeitsplatzschaffung ist fadenscheinig.“ Es gehe lediglich um ein Mehr an Gewerbesteuer. Anreize zur Ansiedlung indes bremse der Rat durch die beschlossene Erhöhung der Gewerbesteuer aus. Die Freudenberger, ergänzte Christiane Berlin, wollten ihre Stadt als Wohn- und Einkaufsstadt. „90 Prozent fahren zum Arbeiten in die Umgebung.“ Sie bezweifele deshalb – z. B. gegen die Argumentation des Regionalrats – das „weiche“ Standortargument von Arbeitsplätzen am Ort. Und, so meinte sie, das im SZ-Interview geäußerte Anliegen der SPD, Einfluss auf die Gestaltung des Gewerbegebiets nehmen zu wollen, sei „ein frommer Wunsch, weil der Investor die Vermarktung bestimmt“.
Hombach überlegte, es sei ja durchaus sinnvoll, Gewerbeflächen vorzuhalten, aber es gebe in Freudenberg kleinere Flächen, die gut nutzbar seien und ökologisch keine großen Probleme darstellten. Dies offensiv in die Öffentlichkeit zu bringen und zu vertreten, werde zu den Aufgaben der nächsten Zeit gehören.
Überhaupt will der kleine Freudenberger Stadtverband seine Präsenz nach außen verstärken und „bissiger“ werden, auch in den Gremien, wie Christiane Berlin betonte. Gremienarbeit und Abstimmungsverhalten würden sich an den jeweiligen Themen orientieren. „Auf kommunaler Ebene verschwimmen die Parteifarben häufiger.“ Ansonsten verstehe sich die kleine Fraktion „als Ideengeber und Denkanstoßer“. Es werde darauf ankommen, mehr Menschen für ein politisches Arbeiten zu gewinnen, das das Gemeinwesen stärker im Blick habe und sich nicht nur kurzfristig von eigener Betroffenheit zum Handeln motivieren lasse.
comment article