Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen bittet Sie folgenden Antrag zur Beschlussfassung in die Tagesordnung der Sitzung des Rates aufzunehmen:
Beschluss:
1. Landwirtschaftliche Nutzflächen im Eigentum der Stadt Freudenberg werden bei Neuverpachtung vorrangig an Betriebe verpachtet, die sich verpflichten, mit der Bewirtschaftung einen Mehrwert für Natur und Artenvielfalt zu erzeugen. Dies kann zum Beispiel durch die Bewirtschaftungsvorgaben des Ökologischen Landbaus oder durch eine Bewirtschaftung ohne Herbizide (wie Glyphosat) und/oder Insektizide (wie Neonikotinoide) geschehen. Für Landwirte in bestehenden Verträgen, die vor Ende des Pachtvertrages freiwillig vorzeitig auf ökologische Bewirtschaftungskriterien umstellen wollen, entfällt die Pacht für die entsprechende Fläche für die Restdauer des Pachtvertrags (zusätzlich zur Inanspruchnahme weiterer EU-, Bundes- oder Landesförderung).
2. Die Bewirtschaftung der Flächen soll im Interesse der Biodiversität vielfältig gestaltet werden. Eine mindestens viergliedrige Fruchtfolge ist einzuhalten.
3. Eine solche naturfreundlichere Ausrichtung der Bewirtschaftung und der Verzicht auf Maximalerträge werden seitens der Stadt/Gemeinde honoriert, indem ein entsprechender Abschlag (z. B. 1/3) vom ortsüblichen Pachtzins vorgenommen wird.
4. Die Verwaltung wird beauftragt, für die genannten Vorgaben einen Musterpachtvertrag sowie ein Bewertungssystem für Neuverpachtungen zu entwickeln.
5. Darüber hinaus soll die Anlage von ausreichend breiten Blühstreifen vereinbart werden.
6. Die Verwaltung wird beauftragt mit Hilfe von Geoinformationssystemen und vorhandenen Datengrundlagen (z. B. Liegenschaftskarten, Luftbildern) zu dokumentieren, an welchen Stellen kommunale Wegeseitenränder durch landwirtschaftliche Nutzung verloren gegangen sind. Die Verwaltung wird gebeten, diese Daten vor Ort zu überprüfen und mit den Landwirten Lösungen zu entwickeln, wie diese Flächen wieder für den Naturhaushalt und den Artenschutz reaktiviert werden können.
7. Landwirtschaftlich genutzte kommunale Wegeseitenränder an Feld- und Wirtschaftswegen werden in ihrer Funktion für Naturhaushalt und den Artenschutz revitalisiert. Sie sind künftig entweder – je nach standörtlicher Eignung – mit feldheckentypischen Gehölzen zu bepflanzen, der natürlichen Sukzession zu überlassen oder mit standortheimischen mehrjährigen Blühpflanzen einzusäen.
8. Um wirtschaftliche Härten zu vermeiden, werden die Änderungen in den Bewirtschaftungsvorgaben erst nach Ablauf von 5 Jahren nach dem Beschluss des Rates wirksam. Zwischenzeitlich abgeschlossene Pachtverträge werden nur mit einer Dauer bis zu diesem Stichtag abgeschlossen.
9. Die Verwaltung kommuniziert die Änderung der Bewirtschaftungsvorgaben schnellstmöglich an die betroffenen Landwirte.
Begründung:
Pestizide werden eingesetzt, um Flächen von unerwünschten Kräutern und Gräsern frei zu halten oder um gegen Insekten vorzugehen. Einige der Mittel stehen im Verdacht, Krebs zu erregen, die Fortpflanzung zu schädigen oder hormonelle Wirkung zu haben.
Für viele Tier- und Pflanzenarten sind Pestizide ein Verhängnis. Denn nicht nur unerwünschte Wildkräuter und Insekten werden beseitigt, sondern auch Honigbienen, Wildbienen, Schmetterlinge und Fledermäuse. Entweder töten und schädigen Pestizide Insekten oder Wildkräuter direkt oder sie dezimieren ihren Lebensraum und ihre Nahrung. Von den fast 600 Wildbienenarten in Deutschland steht rund die Hälfte auf der Roten Liste. Dabei sind blütenbesuchende Insekten unentbehrlich für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen. Sie erhalten die Pflanzenvielfalt und sichern landwirtschaftliche Erträge und damit unsere Ernährung.
Weltweit und auch in Deutschland erleben wir einen zunehmenden Verlust der Artenvielfalt. Grund dafür ist vor allem die intensive Landwirtschaft. Dort dominieren meist Monokulturen, die intensiv mit Pestiziden gespritzt werden. Blühflächen, als Rückzugsgebiete und Nahrung für viele Insekten, Vögel und Säugetiere fehlen oft komplett. Über 40.000 Tonnen Pestizide belasten jährlich in Deutschland die Umwelt. Tendenz steigend.
Blühstreifen am Ackerrand stellen Rückzugsräume und Vernetzungsbiotope dar, sie gilt es zu sichern und zu erhalten.
Inzwischen sind Siedlungsgebiete oft Rückzugsorte für Arten, die in der Agrarlandschaft keinen Lebensraum mehr finden. Die Kommune trägt eine wichtige Verantwortung in ihrer Art der Bepflanzung, des Grünflächenmanagements und der Bereitstellung von Nisthilfen.
Die Stadt Freudenberg übernimmt eine Vorreiterrolle für den Artenschutz, indem sie bei der Flächenpflege keine Pestizide einsetzt. Bundesweit sind über 50 Städte bereits ganz oder teilweise pestizidfrei, einige von ihnen sogar schon seit über 20 Jahren.
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Berlin
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